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Chronische Verstopfung bei älteren Patienten

Wasser hinzufügen, um das Schiff zu bewegen

Die Verstopfung, im medizinischen Fachjargon auch Obstipation genannt, kann grundsätzlich bei Menschen in allen Altersstufen auftreten. Doch trifft man bei älteren Patienten, oder auch bei Frauen nach der Geburt oder bei Patienten im Zustand nach einer langwierigen fieberhaften Erkrankung, häufig eine besondere Form der Verstopfung an. Diese ist durch sehr trockenen Stuhl gekennzeichnet, wobei nicht nur der Stuhl sehr trocken ist, sondern auch alle Schleimhäute und die Haut. Diese Menschen haben oft einen trockenen Mund und eine trockene Kehle. Um den Mund zu befeuchten, trinken sie gern Wasser in kleinen Schlucken. Da Ärzte und alle anderen Ratgeber ihnen immer wieder sagen, dass sie sehr viel Wasser trinken müssen, damit sie regelmäßig Stuhlgang haben können, tun sie das auch. Doch obwohl sie schon viel mehr Wasser trinken, als ihr Durst es verlangt, wird ihr Stuhl kaum feuchter. Stattdessen rennen sie ständig auf die Toilette um Wasser zu lassen. Bei manchen Patienten lagert sich das überschüssige Wasser auch in der Region der Fußgelenke oder unter den Augen, in den Tränensäcken, ein. Das Wasser kommt also häufig gar nicht da an, wo es gebraucht wird. So helfen diese wohlgemeinten Ratschläge häufig auch nicht weiter. 

Besser ist es schon, wenn man die vermehrte Flüssigkeitszufuhr mit Schleim- und Quellstoffen kombiniert, wie sie z.B. in Leinsamen oder Flohsamen enthalten sind. Auf diese Weise wird ein Teil des Wassers im Magen-Darm-Trakt an diese Schleim- und Quellstoffe gebunden und kann so den Dickdarm erreichen. Doch in manchen hartnäckigen Fällen reicht auch das nicht aus, insbesondere bei Patienten im höheren Lebensalter. Diese Menschen sind oft insgesamt ausgetrocknet, was man in der Chinesischen Medizin als eine Art von Blut- und Yin-Mangel auffasst. Blut und Yin haben nach dem Verständnis der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) die Aufgabe, Haut und Schleimhäute von innen heraus zu nähren und zu befeuchten. Im Alter nehmen Blut und Yin natürlicherweise ab. Bei dünnen Menschen, die an sich schon eine Tendenz zu Yin-Mangel haben, kann dieser Prozess auch schon frühzeitig und sehr ausgeprägt verlaufen. In diesen Fällen geht die Verstopfung meist mit anderen typischen Yin-Mangel-Zeichen einher, wie z.B. mit Hitzegefühl in den Händen und Füßen am Abend und in der Nacht, Unruhe, Schlaflosigkeit oder traumgestörter Schlaf, Juckreiz bei trockener Haut, eventuell auch Nachtschweiß, Schwindel, Tinnitus oder Hörsturz. In solchen Fällen reicht es nicht mehr, allein mit Wasser und Quellstoffen die ausgeprägte innerliche Trockenheit zu befeuchten. Die Chinesische Medizin befürwortet in einer solchen Situation die Einnahme von Blut und Yin nährenden Kräutern. Diese Kräuter, vorwiegend Wurzeln und Samen, sind zumeist kühl und von dezenter Süße. Durch einen hohen Gehalt an fetten Ölen und natürlichen Quellstoffen befeuchten sie einerseits den ausgetrockneten Dickdarm direkt, zum anderen nähren sie über die in ihnen enthaltenen Nährstoffe das Blut, wodurch es seiner Funktion der Befeuchtung der Haut und Schleimhäute wieder nachkommen kann. 

Auf keinen Fall darf man in derartigen Fällen kräftige, bittere Abführmittel wie Rhabarberwurzel oder Sennesblätter verwenden, da ihre Bitterstoffe nur noch stärker austrocknend wirken. Abführmittel können zwar kurzfristig eine Stuhlentleerung herbeiführen, doch gehen dabei noch zusätzlich wertvolle Körperflüssigkeiten mit verloren, was die Trockenheit der Darmschleimhaut langfristig nur noch verstärkt. 

Gewiss nicht so schnell, dafür aber nachhaltiger als Abführmittel sorgen befeuchtende Kräuter für einen weicheren Stuhlgang und lindern gleichzeitig noch all die anderen mit der innerlichen Trockenheit einhergehenden Beschwerden. In traditionellen chinesische Werken der Kräuterheilkunde wurde diese Methode als „Wasser hinzufügen, um das Schiff zu bewegen“ bezeichnet. Dabei stellte man sich den Darmkanal als einen Wasserweg vor, in dem ein Schiff, hier also der Stuhl, zur Mündung transportiert werden soll. Ist der Fluss ausgetrocknet, hilft auch kein noch so kräftiges Schieben (die Wirkung von Abführmitteln) – auf trockenem Boden kann man kein Schiff bewegen. Erst wenn man das Wasser im Fluss wieder auffüllt, kann das Schiff von allein zur Flussmündung fahren. Das heißt, nur wenn man den Darm mit nährenden Kräutern befeuchtet, kann der trockene Stuhl erweicht und mittels der natürlichen Darmbewegung nach außen gelangen.